Wie erlebten Therapeut*innen die Videotherapie im Zuge der COVID-19-Krise? Könnte dies eine zukunftsfähige Methode therapeutischer Betreuung sein? Mit diesen Fragen befasste sich ein Projekt im Studiengang Logopädie.
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Projekt zum forschenden LernenIm Sommersemester 2020 führten die Studierenden des achten Semesters im Bachelorstudiengang
Logopädie an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) unter Anleitung von Prof. Dr. Norina Lauer ein qualitatives Forschungsprojekt durch. Sie beschäftigten sich in einer Lehrveranstaltung mit der subjektiven Perspektive von Therapeut*innen auf die Videotherapie auf Basis der Erfahrungen in der COVID-19-Krise.
Aufgrund der Krisensituation war Videotherapie erstmals für Angehörige der Therapieberufe vorübergehend zugelassen. Daher wollten die Studierenden erfahren, wie sich die Videotherapie umsetzen ließ und ob sie eine zukunftsfähige Methode für die Betreuung von Patientinnen und Patienten darstellt.
Interviews mit Therapeutinnen und Therapeuten aus der Praxis Hierzu entwickelten die Studierenden einen Interviewleitfaden, anhand dessen sie halbstrukturierte Interviews mit elf Therapeut*innen (acht Frauen, drei Männer) im Alter von 21 bis 60 Jahren durchführten. Sieben Befragte kamen aus der Logopädie, drei aus der Physiotherapie und eine aus der Ergotherapie.
Alle hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung, waren in Praxen tätig und hatten ein bis 25 Jahre Berufserfahrung. Die durchschnittliche Erfahrung mit Videotherapie betrug zum Befragungszeitpunkt 2,7 Monate. Es wurden ein bis zehn Videotherapien pro Woche, von zwei Befragten sogar mehr als 20 Videotherapien wöchentlich durchgeführt. Die Studierenden transkribierten die Interviews und kodierten sie deduktiv gemäß der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Zur Auswertung wurde
QCAmap genutzt, eine von Prof. Dr. Philipp Mayring und Dr. Thomas Fenzl entwickelte webbasierte Software zur qualitativen Inhaltsanalyse.
Videotherapie als gute Ergänzung zur Face-to-Face-TherapieDie Ergebnisse zeigen, dass die Videotherapie eine gute Ergänzung zur Face-to-Face-Therapie darstellt, diese aber nicht in allen Aspekten ersetzen kann. Kinder unter vier Jahren oder sehr alte Menschen ohne Technikbezug können weniger gut über Videotherapie behandelt werden. Der erste Kontaktaufbau zu neuen Patient*innen gestaltet sich schwierig.
Der fehlende Körper- und Blickkontakt sowie die mangelnde Tonqualität bei der akustischen Bewertung von Stimme und Sprechen werden als ungünstig betrachtet. Dennoch lässt sich die Videotherapie bei sehr vielen unterschiedlichen Störungsbildern und Menschen verschiedenen Alters sehr gut einsetzen.
Problematisch: die oft mangelnde technische AusstattungGerade für Personen in therapeutisch unterversorgten Regionen bietet die Videotherapie eine gute Versorgungsmöglichkeit. So können die Therapiefrequenz erhöht und der Behandlungserfolg gesteigert werden. Patient*innen können über Videotherapie direkt im privaten oder beruflichen Umfeld unterstützt werden.
Allerdings ist es wichtig, dass die notwendige technische Ausstattung zur Durchführung an der Videotherapie für alle Beteiligten verfügbar ist. Sichere Videoplattformen sind aktuell noch nicht stabil genug und der Internetzugang ist oft störungsanfällig. Insgesamt wird von den meisten Befragten eine Kombination von Video- und Face-to-Face-Therapie als zukunftsfähige therapeutische Versorgungsform befürwortet.
Mehrwert für die Studierenden Die Studierenden der Logopädie konnten anhand des Projekts lernen, wie ein qualitatives Forschungsprojekt geplant, durchgeführt und ausgewertet wird. Damit wurde das Interesse der Studierenden dafür geweckt, gegebenenfalls in der im nächsten Semester anstehenden Bachelorarbeit einer qualitativen Fragestellung nachzugehen.
Details zum Projekt können im Septemberheft der Fachzeitschrift „Forum Logopädie“ (Ausgabe 34/5) nachgelesen werden, und zwar im Artikel von Prof. Dr. Norina Lauer unter dem Titel „Teletherapie – hat die Logopädie eine digitale Zukunft?“.