Als Auftakt ihres Jahresprogramms hat die Akademie Ostbayern-Böhmen ein Online-Symposium mit dem Motto „Künstliche Intelligenz – Perspektiven im ländlichen Raum“ veranstaltet. Die OTH Regensburg hat sich daran stark beteiligt.
Künstliche Intelligenz zum Wohle der Menschen nutzenWarum manche Menschen ein falsches Bild von Künstlicher Intelligenz (KI) haben, warum wir auf sie trotz ethisch schwieriger Fragen nicht verzichten sollten, vor allem aber welche Ansätze in Wissenschaft und Wirtschaft es bereits in unserer Region gibt – das haben die Teilnehmenden des für alle Interessierten offenen Online-Symposiums der
Akademie Ostbayern-Böhmen (AOB) mit Sitz in Neunburg vorm Wald u.a. von den Professoren Dr. Wolfgang Mauerer und Dr. Karsten Weber von der Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) erfahren.
„Künstliche Intelligenz ist ein brandaktuelles Thema mit enormem wirtschaftlichen Potenzial“, so leitete AOB-Vorsitzender und Moderator Josef Schönhammer seine Begrüßung ein. Grund genug für die AOB, KI zum Schwerpunkt des Jahresprogramms 2022 zu machen. Erfreut zeigte sich Schönhammer, dass zum Auftakt-Symposium renommierte Experten als Referenten gewonnen werden konnten und dass damit die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Westböhmischen Universität Pilsen und der OTH Regensburg ihre Fortsetzung findet.
„Alltag längst von Algorithmen durchdrungen“Prof. Dr. Oliver Steffens, Vizepräsident für Forschung und Internationalisierung an der OTH Regensburg, hob in seinem Grußwort hervor, dass unser aller Leben – vom Online-Shopping bis zur Routenplanung in Navigationssystemen – längst von Algorithmen und Methoden der KI durchdrungen sei. Den Grundstein für die Ausbildung der dafür benötigten Fachkräfte habe die OTH Regensburg schon vor 49 Jahren mit dem bayernweit ersten Diplom-Studiengang Informatik an einer Fachhochschule gelegt. Heute ist die
Fakultät Informatik und Mathematik mit mehr als 2.000 Studierenden die größte im Freistaat.
Das Stichwort KI rufe in der Bevölkerung gemischte Reaktionen hervor, konstatierte Prof. Dr. Wolfgang Mauerer, Vorsitzender Direktor des vor rund zwei Jahren gegründeten
Regensburg Center for Artificial Intelligence (RCAI) der OTH Regensburg, eingangs seines Vortrags. Während die einen eher einen menschenfreundlichen Ritter Rost vor Augen hätten, fürchteten sich andere vor einem kalten Terminator. Weder das eine noch das andere treffe zu: „KI ist aktuell noch weit davon entfernt, Intelligenz, wie wir sie verstehen, nachbilden zu können.“ Der Begriff Machine Learning sei deswegen am besten dazu geeignet, um zu beschreiben, was KI tue. „Im Grunde handelt es sich um altbekannte mathematische Verfahren, die jetzt erstmals maschinell und numerisch erfasst und zur Anwendung gebracht werden können.“
„Nicht die Zahl der Heuhaufen erhöhen“Unbestritten groß ist das Potenzial anhand der in der Industrie vorhandenen Daten. Hier komme es Mauerer zufolge aber nicht auf die schiere Menge an Daten, sondern vor allem auf deren gute Aufbereitung an. Einfach so viele Daten wie möglich zu sammeln, könne sogar eher kontraproduktiv sein. „Man stelle sich jemanden vor, der eine Nadel im Heuhaufen verloren hat – der würde auch nicht als erstes die Zahl der Heuhaufen erhöhen wollen.“ Zusammen mit mittelständischen Unternehmen zeigt das RCAI in dem vom Bayerischen Staatsministerium für Digitales geförderten Projekt KI-Transfer Plus aktuell, wie es besser gehe. Dabei begleitet die OTH Regensburg drei Firmen über ein Jahr auf ihrem Weg zur Anwendung. Demnächst geht das Projekt in die zweite Runde. Interessierte Unternehmen ermunterte Prof. Mauerer dazu, sich mit dem RCAI in Verbindung zu setzen.
Doc. Ing. Milan Edl, Ph.D., Dekan der Fakultät für Maschinenwesen der
Westböhmischen Universität Pilsen, legte den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf den grenzüberschreitenden Internationalen Industriebeirat, der die Studierenden und Schulen noch besser mit den Bedarfen von Unternehmen, Handwerks- und Handelskammern in der Region in Einklang bringen will. Außerdem verwies er auf eine gemeinsam mit vielen Akteuren erarbeitete Strategie, mithilfe derer die Studierendenzahl seiner Hochschule gehalten werden solle, um diejenigen Fachleute zu haben, die man für die Spezialisierung in Forschung und Entwicklung in der Region letztlich brauchen wird. Bei all den Möglichkeiten, die der Einsatz von KI-Methoden biete, unterstrich Edl die Unverzichtbarkeit des menschlichen Verstandes, den es dazu brauche, um Machine Learning zum Vorteil der Region einzusetzen.
„Es wäre fahrlässig, das Potenzial nicht zu nutzen“Welche Veränderungen sich für Menschenbild und Gesellschaft aus der Anwendung von KI ergeben, beleuchtete Prof. Dr. Karsten Weber, der Ko-Leiter des
Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST) an der OTH Regensburg. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt liegt auf Projekten, die sich mit dem KI-Einsatz im Medizinbereich beschäftigen. Eine der Fragestellungen im Projekt SMART war es, zu untersuchen, ob eine KI die Einwilligungsfähigkeit zu einer Behandlung besser beurteilen könne als ein*e Ärzt*in. Das Ergebnis: Durchaus, denn die Einschätzungen durch Ärzt*innen sind ziemlich häufig nachweislich falsch. „Die Hoffnung ist, dass sich die Maschine weniger oft irrt, indem für sie zum Beispiel Vorurteile keine Rolle spielen.“ Prof. Dr. Weber räumte ein, dass dies schwierige neue Fragen aufwerfe und das Verhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen wohl stark verändern werde. Dennoch zeigte er sich überzeugt: „Das Potenzial der KI zum Wohle aller ist in vielen Bereich enorm – dieses nicht zu nutzen wäre fahrlässig.“
Philipp Berr, Leiter der beim Amt für Wirtschaft und Wissenschaft der Stadt Regensburg angesiedelten Abteilung „Wissenschaft, Technologie und Cluster“, stellte beim Symposium außerdem die vor gut zwei Jahren gegründete Initiative „Artificial Intelligence Regensburg“ (AIR) vor, deren Ziel es ist, Regensburg zu einem Zentrum für KI zu machen. AIR ist ein Zusammenschluss aller Akteure, die sich mit KI auseinandersetzen und umfasst damit Hochschulen, klein- und mittelständische Unternehmen und die städtischen Unternehmen wie die R-Tech und den Biopark sowie Start-ups und weitere Dienstleister. Als frisch gekürte Modellkommune im Förderprogramm „Smart City“ wird aktuell daran gearbeitet, eine Strategie mit Unternehmen und Hochschulen auszubauen, die Digitalisierung des Rathauses voranzubringen, digitale Bildung für Jung und Alt erfahrbar zu machen und auf einer Plattform kommunale Daten zur wissenschaftlichen Nutzung bereitzustellen.
Mit dem Dank an die Referenten, das
Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) in Schönsee, das für einen reibungslosen technischen Ablauf sorgte, und Dolmetscherin Šárka Kuthanová beschloss Josef Schönhammer die Veranstaltung und verwies auf die nächste Veranstaltung zur KI am 8. März 2022. Das vollständige Video zum Symposium kann auf der
Website der Akademie Ostbayern-Böhmen abgerufen werden.
