Im Rahmen des Netzwerks RegensburgEXZELLENZ kam Corinna Schittenhelm, Personalvorstand und Arbeitsdirektorin der Schaeffler AG, für ein Kamingespräch an die OTH Regensburg.
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Kamingespräch mit Corinna Schittenhelm„Was will ich im Leben erreichen?“, stieg Corinna Schittenhelm in ihren Vortrag ein, in dem sie von ihrer beruflichen Laufbahn bis in die oberste Führungsetage berichtete. „Sie sind um die 20, da macht man sich schon mal Gedanken um die Zukunft“ richtete sie sich an die Studentinnen des Netzwerks
RegensburgEXZELLENZ und ergänzte: „Es ist wichtig, dass Frauen mitgestalten und die Gesellschaft mitentwickeln“. Schittenhelm, die 1967 in Esslingen geboren wurde und 1986 in Nürtingen ihr Abitur machte, erzählte, wie ihr schon in jungen Jahren bewusst wurde, wie wichtig eine gute Ausbildung ist, als sie während eines Nebenjobs in der Produktion Frauen kennenlernte, die Akkordarbeit verrichteten. „Nach dem Abitur war ich aber erst einmal neugierig, was in der Welt so passiert“, sagte sie und berichtete von ihren Auslandsaufenthalten in Toronto und Paris, durch die sie ihre Englisch- und Französischkenntnisse perfektionierte. „Drei Jahre im Ausland war eher unkonventionell, aber eine gute Vorbereitung auf die Globalisierungsprozesse, die damals begannen“, reflektierte Schittenhelm ihre Entscheidung, nicht direkt eine Ausbildung oder ein Studium begonnen zu haben. Von der Idee, die erlernten Sprachen zu studieren, wurde ihr mit dem Hinweis darauf, dass diese nicht benötigt würden, abgeraten. „Wir wissen heute nicht, was morgen gefragt ist, darum empfehle ich, auf das eigene Talent zu bauen und sich nicht zu stark von vorgegebenen Mustern leiten zu lassen“, riet sie den Studentinnen.
Sie entschied sich für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Tourismus, wobei sie durch verschiedene Praktika herausfand, dass sie sich mehr für BWL als für Tourismus interessierte. „Je mehr man praktisch ausprobiert, desto besser. Nur von draußen darauf schauen reicht nicht“, appellierte sie an die Studentinnen und berichtete wie sie schließlich bei Siemens ihre Diplomarbeit schrieb. Nach Abschluss des Studiums machte Schittenhelm ein Trainee-Programm bei der Bayerischen Vereinsbank, stellte aber fest, dass sie das globale Umfeld von Industrieunternehmen mehr reizte: „Ich wollte nicht nur in Deutschland arbeiten, sondern in die Welt hinaus.“ Im Jahr 1996 kam Siemens auf sie zu und sie startete als Personalreferentin für Siemens Mobile Phones in München, wo sie für einen jungen, aufstrebenden Bereich zuständig war. Obwohl es für sie im Personalwesen keine Notwendigkeit für einen Auslandsaufenthalt gab, verfolgte sie die Idee, bis sie das Angebot bekam nach Peking zu gehen. „Eigentlich wollte ich lieber nach Nordamerika, aber die Chance war einmalig“, erzählte sie und beschrieb ihre Erfahrungen in China Ende der 1990er Jahre als „fantastisches Abenteuer“. Sie erlebte die rasante Entwicklung des Landes mit und war dort für das Recruitment von High-Potentials verantwortlich. „Es war genau der richtige Zeitpunkt, alles hat gepasst sowohl beruflich als auch privat“, sagte Schittenhelm und erzählte wie sie spannende kulturelle Eindrücke sammelte und ihren Mann kennenlernte, mit dem sie sich dann gemeinsam für eine weitere Delegation in den USA entschied. „Die Partnerwahl ist wichtig, wenn man sein Talent entwickeln will, man braucht einen Partner, der einen unterstützt und auch in schwierigen Zeiten den Rücken freihält, sonst wird man nicht glücklich“. Das Thema Familiengründung, als Expat in San Diego in den Jahren der Dotcom-Blase, war nicht einfach, aber sie entschied sich dafür, Familie und Karriere zu vereinbaren. Dabei konnte sie stets auf die Hilfe ihres Mannes zählen. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen, setzt Schittenhelm sich heute dafür ein, dass Frauen mit Familienwunsch unterstützt werden: „Gerade im Alter zwischen 30 und 40 drehen Männer total auf und machen Karriere und man verliert viele Frauen, entweder zeigt man den gleichen Einsatz oder man bleibt auf einer niedrigeren Position.“
Zurück in Deutschland war sie zwischen 2003 und 2007 für die ehemalige Siemens VDO AG (heute Continental AG) Leiterin im Personalmanagement. „Es ist wichtig Menschen zu haben, die einen fördern und nach seinen Kompetenzen einsetzen.“ Sie betonte, dass es an bestimmten Stellen im Leben wichtig sei, bewusste Entscheidungen zu treffen, um vorwärts zu kommen und dass die Führungs-Funktionen ihr ermöglichten, global zu arbeiten. In Teilzeit wäre ihre Karriere in einem männlich geprägten Umfeld nicht so steil verlaufen, da Männer immer verfügbar seien, vermutete Schittenhelm, wies aber auch darauf hin, dass ihre Familie immer Priorität hatte. Nachdem sie ab 2008 als Personalleiterin in der Siemens-Zentrale in München tätig war, wechselte sie 2014 als Personalchefin zur OSRAM Licht AG. Seit 2016 ist sie Mitglied des Vorstands der Schaeffler AG und verantwortet das Ressort Personal mit 90.000 Mitarbeitern weltweit sowie den Bereich Nachhaltigkeit. Schittenhelm ist eine von nur ca. 60 Frauen im Vorstand eines deutschen Unternehmens, während sich die Zahl männlicher Vorstandsmitglieder auf ca. 640 beläuft. „Frauen trauen sich viel zu wenig zu und sollten öfter auch mal Positionen annehmen, bei denen sie zunächst denken ‚Kann ich das wirklich?‘; Männer ergreifen jede Chance, wenn die Stelle annähernd passt“, schildert Schittenhelm ihre Beobachtungen und fügt hinzu: „Viele Frauen, die oben ankommen, sind kinderlos, dabei sollte man aufgrund der Karriere nicht auf Kinder verzichten müssen.“ Die Bedingungen beides zu vereinbaren, entwickelten sich sehr langsam voran und es gäbe noch viel zu tun, aber es habe sich schon viel verbessert, merkt Schittenhelm an. „Es ist so wichtig, finanziell unabhängig zu sein und nicht auf einen Ehemann als Versorger zu bauen – dieses Bild ist leider immer noch sehr präsent in den Köpfen, vor allem in Deutschland“ betonte sie und fuhr fort: „Dabei macht es Spaß, wenn man seine eigenen Erfolge sieht und sich auch mal etwas leisten kann.“ Zum Schluss gab sie den Studentinnen den Rat, sich trotz Karriereplanung nicht zu sehr unter Druck zu setzen und immer wieder Pausen zu machen, um Kraft zu schöpfen: „Bei schweren Entscheidungen muss man auf den Bauch hören und lernen was einem gut tut, denn nur in einem Umfeld, in dem man sich wohl fühlt, kann man auch Leistung bringen.“
Im Anschluss an den Vortrag hatten die Studentinnen die Gelegenheit Fragen zu stellen. Prof. Dr. Nina Leffers und Prof. Dr. Susanne Nonnast dankten der Referentin Corinna Schittenhelm für das offene und ehrliche Gespräch.
RegensburgEXZELLENZRegensburgEXZELLENZ ist ein hochschul- und fakultätsübergreifendes Netzwerk herausragender Studentinnen der OTH Regensburg und der Universität Regensburg. In Zusammenarbeit mit der Frauenbeauftragten der OTH Regensburg und der Universität Regensburg, wird das Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Nina Leffers durchgeführt, um Frauen auf leitende Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft und anderen beruflichen Feldern vorzubereiten. Weitere Informationen zu RegensburgEXZELLENZ unter: https://www.oth-regensburg.de/studium/service-und-beratung/gender-und-diversity/frauenbeauftragte/regensburgexzellenz.html