Wie funktioniert die Aufszugsbranche? Darüber berichtete Thomas Liessem von TK Elevator in seinem Gastvortrag an der Fakultät Betriebswirtschaft der OTH Regensburg.
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Erfolgsfaktoren in der AufzugbrancheAuch in COVID-19-Zeiten bereichern Gastdozierende die virtuellen Vorlesungen an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg). So konnte Prof. Dr. Sabine Jaritz den Head of Service & Modernization von TK Elevator (zuvor Thyssen Krupp Aufzüge), Thomas Liessem, für einen Vortrag über die Aufzugsbranche gewinnen. Der Gastvortrag war in das Modul "Unternehmensplanspiel" eingebettet, in dem über 200 Studierende im Bachelorstudiengang
Betriebswirtschaft virtuelle Unternehmen in der Aufzugsbranche führen.
Praxisnahes Lernen dank UnternehmensplanspielDie OTH Regensburg hat in diesem Semester dazu erstmalig das cloud-basierte Unternehmensplanspiel "Production & Services" der Firma TOPSIM eingesetzt. Dort wird ein Unternehmen in der Aufzugsbranche abgebildet, welches in den Geschäftsbereichen Produktion von Aufzügen sowie im Bereich Services in Form von Wartungsverträgen tätig ist. Die 200 Studierenden sind in neun Kleingruppen aufgeteilt. Jede Kleingruppe stellt einen Markt dar, in dem jeweils fünf Unternehmen gegeneinander spielen. Die Kleingruppen werden von Seiten der OTH Regensburg von Prof. Dr. Jaritz, Prof. Dr. Höschl, André Philipps und Stefanie Feuerer intensiv betreut.
Unternehmensplanspiele stellen eine hervorragende didaktische Methode dar, um die Brücke zur Praxis zu schlagen. Um die Praxis – in diesem konkreten Fall – auch aus der Perspektive eines der führenden Aufzugsunternehmen der Welt kennenzulernen, gab Thomas Liessem den Studierenden Einblicke in TKE, welches seit dem Verkauf durch die thyssenkrupp AG im August 2020 ein eigenständiges Unternehmen darstellt. Neben dem Neuanlagengeschäft ist TKE im Service- und Modernisierungsgeschäft aktiv. Den wichtigsten Geschäftsbereich bildet dabei das durch mehr als 24.000 Techniker repräsentierte Servicegeschäft. Das Vertriebs- und Servicenetz umfasst über 1.000 Standorte in über 100 Ländern weltweit. Das Produktportfolio umfasst Personen- und Lastenaufzüge bis hin zu individuell angepassten Lösungen für moderne Hochhäuser.
Spannende Einblicke in die AufzugsbrancheDie zunehmende Globalisierung, das Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende Urbanisierung vor allem in Asien und Afrika, aber auch der demographische Wandel hin zu einer älter werdenden Bevölkerung, die Bedeutung der Nachhaltigkeit und die Digitalisierung sind laut Liessem globale Megatrends, die – einzeln und in Kombination – einen zentralen Einfluss auf die ganze Aufzugsbranche haben.
Im Neuanlagengeschäft kann TKE mit seinen zahlreichen Produktionsstandorten weltweit auf die unterschiedlichen Bedürfnisse auf den verschiedenen Kontinenten reagieren. Während in wachsenden Volkswirtschaften wie China und Indien das Neuinstallationsgeschäft boomt, kommt das Wachstum in Europa oder Nordamerika primär durch das Servicegeschäft.
Das Wachstum der Branche ist teilweise auch M&A getrieben. Die großen Akteure der Branche kaufen regelmäßig kleinere Unternehmen dazu, um in Regionen und Bereichen zu wachsen, in denen sie noch nicht so stark vertreten sind. Dies macht aus Kund*innen- und Unternehmensperspektive Sinn, da gerade die Nähe zum Kund*innen und die schnelle Reaktionsfähigkeit im Servicegeschäft klare Wettbewerbsvorteile sind. Die Anzahl der jährlichen verpflichtenden Wartungen von Aufzugsanlagen wird staatlich reguliert und ist somit von Land zu Land unterschiedlich. Interessant war für die Studierenden auch, dass es eine EU-weite Vorgabe für eine herstellerunabhängige Wartung gibt. D.h. im Serviceportfolio von TKE befinden sich auch viele Aufzüge von Wettbewerbern – und vice versa. Das bedeutet in Konsequenz auch, dass die Techniker*innen sich mit den Wettbewerberprodukten auskennen müssen und das Ersatzteillager neben freien Komponenten auch OEM-Teile anderer Hersteller beinhaltet.
Wie in vielen anderen Investitionsgütermärkten hat das Servicegeschäft auch im Aufzugsbereich einen starken Einfluss auf das profitable Wachstum. Eine wichtige Basis, um lukratives Servicegeschäft zu machen, stellen die Neuinstallationen dar. In der Regel wird auch mit einem neuen Aufzug ein entsprechender Wartungsvertrag mitverkauft. Eine andere elementare Voraussetzung, um Servicegeschäft zu betreiben, ist laut Liessem, der diesen Bereich für die DACH-Region verantwortet, ein tiefgründiges Kund*innenverständnis. Es geht darum, die "Pain Points" der Kund*innen rechtzeitig zu erkennen und zu beheben, um Kund*innen langfristig zu halten. Um die Weiterempfehlungsbereitschaft, die einen Hinweis auf die Kund*innenzufriedenheit gibt, zu messen, setzt TKE – wie viele Unternehmen – die Net Promoter Score (NPS)-Umfrage ein. Um den Net Promoter Score zu ermitteln, werden die Kund*innen mit Hilfe einer einzigen Frage nach deren Bereitschaft, den Anbieter weiterzuempfehlen, gefragt. TKE hilft dieses Kund*innenfeedback, u. a. um den Service auf das nächste Level zu bringen. Dazu gehört laut des Referenten auch "Predictive Maintenance", also die vorausschauende Wartung, welche eine der Kernkomponenten von Industrie 4.0 darstellt. Im Aufzugsgeschäft geht es da beispielsweise um die Vorhersage, wann welche Komponenten ausgetauscht werden müssen. Mit Unterstützung von cloud-basierten Lösungen ist im Idealfall der*die Techniker*in vor Ort, bevor die Kund*innen das Problem überhaupt realisieren.
Am Ende ging Liessem noch auf die Werbeaktivitäten in diesem klassischen B2B-Markt ein: Neben Auftritten auf Fachmessen und direkter Ansprache von Bauträgern, Planungsbüros und Architekturbüros betreibt TKE auch digitales Marketing über Social Media und setzt gezielt SEO-Maßnahmen ein, um die Sichtbarkeit im Internet zu erhöhen und dadurch neue Kund*innen zu gewinnen.
Die Integration von Gastvorträgen ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der praxisorientierten Ausbildung an der OTH Regensburg. Thomas Liessem konnte in seinem packenden und äußerst kurzweiligen Vortrag den Studierenden wertvolle Einblicke in die Aufzugsindustrie vermitteln und auch alle Fragen umfangreich beantworten. Bei zukünftigen Fahrten mit dem Aufzug werden sich sicher alle Studierenden gerne an diesen Vortrag erinnern.
