Die Fakultät Informatik und Mathematik und die Evangelische Akademie Tutzing veranstalteten im Wintersemester 2021/2022 zusammen an der OTH Regensburg einen Studientag für Studierende der Informatik und Mathematik.
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Digital und Demokratisch: Studientag in Kooperation mit der Evangelischen Akademie TutzingIm Mittelpunkt des Studientags der
Fakultät Informatik und Mathematik (IM) im Wintersemester 2021/2022 stand die Frage, wie der digitale Wandel unser Verständnis vom Bild des Menschen, von Freiheit und Demokratie verändert und welchen Beitrag die Informatik zur Zukunft der Gesellschaft leistet.
Zu Beginn des Studientagsbegrüßte Prof. Dr. Christoph Skornia, Dekan der Fakultät IM, Prof. Dr. Thomas Zeilinger, Beauftragter für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaften der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, und Julia Wunderlich, Studienleiterin für Jugendpolitik & Jugendbildung der Evangelischen Akademie Tutzing, ebenso wie die Kooperationspartner*innen, die Referent*innen sowie die Studierenden. In seiner Einführung wies Prof. Dr. Skornia auf die besondere Rolle und die herausgehobene Verantwortung hin, die Informatiker*innen bei der Gestaltung des digitalen Wandels zukommen: „Informatikerinnen und Informatiker bauen die Technologien der Zukunft. Sie sind verpflichtet die von ihnen geschaffenen technischen Möglichkeiten verantwortungsbewusst einzusetzen, interdisziplinär zu diskutieren und kritisch zu reflektieren“. Prof. Zeiliger ergänzte, dass ihm der gesellschaftliche Diskurs und insbesondere der Austausch mit jungen Menschen wichtig sei, der mit diesem Studientag an der Fakultät IM initiiert werden solle.
„Digital und Demokratisch“, dieses Themenfeld wurde im Folgenden aus verschiedenen Perspektiven mit vier Beiträgen von externen und internen Dozierenden mit hervorragender Expertise zum Thema „Mensch-Sein in einer digitalisierten Welt“ beleuchtet.
Was haben Digitalisierung, KI und Big Data mit Demokratie zu tun?Die Juristin, Managerin und Honorarprofessorin Yvonne Hofstetter skizzierte zu Beginn ihrer Ausführungen das uns bekannte Menschenbild in der Demokratie, das geprägt ist durch die Würde des Menschen und die Souveränität seines Handelns. „Digitalisierung, Internet of Everything und totale Vernetzung reduzieren das Menschenbild auf Zahlen, Daten und messbare Größen. Leben kann somit gemanagt und optimiert werden. Der Mensch verliert damit Souveränität, ist manipulierbar. Er nimmt dies aus freien Stücken hin, er ist freiwillig bereit seine Daten preiszugeben,“ so Yvonne Hofstetter. Hofstetter sieht die Lösung in einer wertebasierten Softwareentwicklung und plädiert in unserem Gesellschaftssystem für die Balance zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften.
Wem gehört die digitale Zukunft?Die Thematik, wem die digitale Zukunft gehört, beleuchtete Prof. Dr. Axel Doering, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) im Lehrgebiet Softwareentwicklung für Medizingeräte. Er ist außerdem als European Patent Attorney für Verfahren vor dem Europäischen Patentamt zugelassen und berät Mandant*innen zum Schutz von computerimplementierten Erfindungen.
Patente beschrieb Prof. Dr. Doering als „Verbietungsrechte auf Zeit“. Sie bilden einen „contract social“, um Anreiz und Schutz von Erfinder*innen mit den Vorteilen für die Allgemeinheit abzuwägen. Indem sie das Interesse des Einzelnen mit dem der Gesellschaft verbinden, fördern Patente das wirtschaftliche Wohlergehen und den sozialen Ausgleich in einer Demokratie. Sie sind aber auch im friedlichen internationalen Wettbewerb von wachsender Bedeutung. Prof. Dr. Doering erläuterte weiter, dass Patentschutz „Technizität“ voraussetzt. Software ist damit grundsätzlich patentierbar, sofern eine technische Anwendung im Mittelpunkt steht. Die Beurteilung dazu sei allerdings problematisch. Noch schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob eine KI erfinden und/oder Patente einreichen kann. Prof. Dr. Doering führte aus, dass es dazu noch keinen abschließenden Diskussionsstand gibt und die Diskussion weltweit durchaus unterschiedlich geführt wird.
Digitalisierung im Gesundheitswesen: Elektronische Gesundheitsakte, eHealth und KI: Potenziale, ethische und gesellschaftliche Herausforderungen der DigitalisierungDie Schwerpunkte von Prof. Dr. Georgios Raptis, Professor für eHealth an der OTH Regensburg und ebenfalls Referent beim Studientag, liegen in der Konzeption von elektronischen Patientenakten, Interoperabilität, Informationssicherheit und Identity Management in der Medizin.
Prof. Dr. Raptis beleuchtete zum Beginn seiner Ausführungen die beiden Dimensionen der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er lobte das exzellente technische Niveau der High-Tech-Medizin in Deutschland und verwies auf die immer noch großen Defizite im Bereich der Kommunikation und Vernetzung, Stichwort „Elektronische Patientenakte“. Er beschrieb die ungeheuer großen Potenziale einer vernetzten Datenhaltung mit dem Hinweis auf die hohe Sensibilität dieser Daten und die enormen Herausforderungen an den Datenschutz. Prof. Dr. Raptis erläuterte, dass eHealth und mHealth nicht nur eine bessere medizinische Versorgung ermöglichen, sondern auch die Option für eine engere Einbindung von Patient*innen in ihrer Behandlung eröffnen.
Abschließend lieferte Prof. Dr. Raptis einen Überblick über die Möglichkeiten, aber auch über manche Herausforderungen und ethische Implikationen der Künstlichen Intelligenz in der Medizin.
Mensch 4.0: Frei bleiben in einer digitalen GesellschaftProf. Dr. Alexandra Borchardt, Journalistin und Beraterin sowie Honorarprofessorin für Leadership und Digitalisierung an der TU München stellte das Thema „Freiheit“ in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Freiheit identifizierte sie mit den Begriffen „Sein“, „Vielfalt“ und „Individualität“. Außerdem verwies sie darauf, dass eine vernetzte Gesellschaft eine stärkere Regulierung ermöglicht, z. B. personalisierte Kaufangebote oder Smart Home. Prof. Dr. Borchardt erläuterte weiter: „Wer laut und oft seine Meinung in der digitalen Welt äußert, wird gehört und oft als vermeintliche Mehrheit wahrgenommen“. „Digitalisierung und Vernetzung schränken damit Freiheit und Demokratie ein“, so die Aussage von Prof. Dr. Borchardt. Abschließend plädierte Prof. Dr. Borchardt dafür, den Menschen einen Kompass anzubieten, seinen Platz in der digitalen Welt zu finden und, jenseits von Technik- und Effizienzüberlegungen, Freiheiten zuzulassen.
In der Abschlussdiskussion gab es einen regen Austausch zwischen den Referent*innen sowie den Studierenden. Der Studientag machte sehr deutlich, dass die Themen „Freiheit und Demokratie im Spannungsfeld zur Digitalisierung“ uns alle, aber insbesondere Informatiker*innen betreffen und angehen. Die Studierenden äußerten einheitlich den Wunsch, die Themen „Digitalisierung“ und „Ethik“ stärker im Studium zu verankern. Das Veranstaltungsziel, eine kritische Refelexion dieser Themenstellung, wurde eindeutig erreicht.
